“Nein, ich will nicht! Gebt mir Freiheit!”

Fernando Pessoa: Álvaro de Campos, Poesia – Poesie, Ammann Verlag 2007, €69,90
Fernando Pessoa war ein großer Dichter. Darüber hinaus war er auch ein Erfinder von großen Dichtern. Für sowas hab ich ja Verständnis. Álvaro de Campos “soll leicht gebückt gegangen sein, trug ein Monokel und war mit 1,75 Meter »zwei Zentimeter größer als ich«, bemerkt Pessoa zu seinem erfundenen Dichter.” So hat denn Herr Pessoa zunächst Herrn de Campos erdichtet, letzterer daraufhin dichtete gegen die gesellschaftliche Vereinnahmung, gegen die Entfremdung und vor allem gegen den Verlust der Freiheit an:

Ah, tenho uma sede sã. Dêem-me a liberdade!
Ah, ich habe einen gesunden Durst. Gebt mir die Freiheit!
(A liberdade, sim, a liberdade!/Die Freiheit, ja, die Freiheit!)

Nun tritt uns in der vorliegende zweisprachigen Ausgabe neben Pessoa und de Campos noch Inés Koebel als dritte im Bunde entgegen; und der des Portugisischen nicht mächtige Leser wird dankbar sein, denn Frau Koebels Nachdichtungen sind in doppelter Weise einfühlsam, sowohl gegenüber dem mehrfaltigen Dichter, als auch dem möglicherweise zunächst recht ratlosen Leser. Man spührt geradezu mit jeder Seite, wie de Campos almählich vom Phantom zum Dichter wird. Erfunden oder nicht, die Gefühle sind wirklich, so sehr, dass man dem erdichteten Dichter, der “lange von Portugal getrennt ist, [dessen] Seele sich aber von seinem Land nicht trennen kann”, das Heimweh nachfühlt.
Der Band ist mit der für den Ammann Verlag typischen Sorgfalt herausgegeben und durchaus dieses Klassikers der Moderne würdig.

Die Freiheit, ja, die Freiheit!
Die wahre Freiheit![…]
Was ist geworden aus dem, der ich gewesen sein muß?
Und außer diesem Verlangen nach Freiheit und Gutem und Luft, was ist geworden aus mir?
(A liberdade, sim, a liberdade!)