Die Maienknospe, die verzärtelt lag [XVIII.3]

Shakespeares Sonette. Übersetzt und mit einem Nachwort von Christa Schuenke, dtv 2011, 9,90 €
Shakespeares Sonette mal wieder. Ob es gute Gründe gibt, der Vielzahl an lieferbaren Übersetzungen eine weitere hinzuzufügen, mag man da fragen. Viel verrät uns Frau Schuenke nicht über ihre Veranlassung.

Der eigentliche Grund jedoch, weshalb sie stets von neuem übersetzt, vor allem aber immer wieder neu gelesen werden, ist wohl ihre zeitlose Thematik, mit der die Menschen sich bis auf den heutigen Tag identifizieren können. Das Einzigartige dieser Dichtung ist die Direktheit, mit der sie uns berührt.

Das spricht für die Gedichte, daß sie ein solches Sentiment bei Frau Schuenke und, so vermutet Frau Schuenke, noch bei anderen Rezipienten auszulösen vermögen. Die Frage ist, ob sie das nicht auch in den Übersetzungen von Stefan George oder Klaus Reichert könnten. Oder direkt in der wirklich romantischen Version von Schlegels und Tiecks und wem allem.
Das Nachwort ist also kaum hilfreich, zumal es sich über weite Strecken mit den beliebtesten Fragen der Shakespeareforschung beschäftigt, wer das nämlich eigentlich gewesen sei oder wer die Stücke denn im Ernst geschrieben habe. Und mit den Fragen der Shakespearesonettforschung, wer denn der Widmungsempfänger sei und wer die Adressaten. Als ob solche Fragen wirklich literaturwissenschaftliche wären und nicht vielmehr Klatsch und Kolportage. Und auch wenn Frau Schuenke solche Fragen im Nachwort nur referiert und sie für den eigenen Zugang nicht als notwendig erachtet, so räumt sie ihnen doch breiten Raum ein und halt sie damit im kulturellen Gedächtnis ihrer Leser wach.
Das Nachwort ist also kaum hilfreich. Könnte der eigenständige Wert der Neuübersetzung also in ihr selber liegen, in ihrer besonderen Aktualität, in ihrer im Vergleich zu anderen Varianten höheren Genauigkeit oder in ihrem poetischen Wert. Geschmackssache. Mir persönlich häufig etwas altbacken, nicht besonders innovativ. Eine Variante unter vielen, die weder positiv noch negativ besonders hervorsteht.
In diesem Sinne kann ich mich nur wiederholen: Zur Einstiegslektüre besser geeignet ist die mehrsprachige Reclamausgabe, die eben nicht eine Komplettübersetzung beinhaltet, sondern Original und jeweils eine Nachdichtung. Man hat also alle Sonette auf deutsch und gleichzeitig ein Panorama der Übersetzungsgeschichte. Und Anmerkungen.