Baskisch bei Buske

Christiane Bendel, Baskische Grammatik, Helmut Buske Verlag 2006, 29,80€.

Lehrwerke für Minderheitensprachen zu veröffentlichen ist für einen Verlag nicht nur ein wirtschaftliches Risiko, es ist für einen renomierten Fachverlag wie Buske auch ein akademisches Risiko, denn es gibt kaum Vorbilder, es gibt weniger sprachpflegerisch-akademischen Kontext und daher mehr grammatische Zweifelsfälle und es gibt wenige potentielle Korrekturleser. Dagegen tendiert die Anzahl potentieller Kritiker gegen unendlich. Verlag und Autorin haben diese Herausforderungen summa cum laude bestanden. Die vorgelegte Grammatik ist umfassend und systematisch. Es gelingt der Autorin auch die komplexesten Sachverhalte knapp und dennoch klar darzustellen. Der Index ist sehr gut angelegt. Synthetische Verbformen sind nicht in sämtlichen Formen katalogisiert, aber alle grammatischen Phänomene, vor allem die aus deutscher Sicht eher ungewöhnlichen, werden umfassend behandelt. Möge Frau Bendels Wunsch, “dass die Benutzer dieser Grammatik meine Faszination teilen können, die diese in sich logische, mathematisch anmutende Sprache auf mich ausübt” in Erfüllung gehen. Sie selbst hat ihr bestes dazu getan. Druckqualität und Bindung sind hervorragend. Beim Korrekturlesen mag es einige kleinere Aussetzer gegeben haben, die sich vielleicht in der nächsten Auflage beheben lassen. Auf S. 8 wird die API-Umschrift für die durch die Buchstaben s und z repräsentierten Phoneme angegeben; die auf den S. 9-11 gegebenen lautschriftlichen Beispiele stehen dazu allerdings im Widerspruch. Das scheint eine Serie von Druckfehlern zu sein, denn wenn es sich durchweg um Ausnahmen handelt sind die Beispiele schlecht gewählt und hätten, wenn sie denn benutzt werden müssen, als Sonderfälle markiert werden sollen. Und inwiefern izpi (”Lichtstrahl”) eine onomatopoetische Nachahmung eines Naturgeräusches (des Lichtstrahls ?) ist (S. 195) leuchtet mir nicht ganz ein. Aber das mindert die Pionierleistung des Helmut Buske Verlages nicht.

Jetzt mal was ganz anderes: Ein ziemlich dummer Satz steht schon in diesem Buch, und das ist ausgerechten der erste: “Die baskische Sprache ist eine der ältesten Sprachen Europas.” Wird gerne so dahingesagt, abba wat soll dat denn heissen? Wie bemisst sich das Alter einer Sprache? Als schriftlich belegte Sprache ist Baskisch eine der jüngsten in Europa. Zugegeben, die Vorfahren der Basken vor 5000 Jahren werden (vermutlich, denn beweisen lässt sich das nicht) eine Vorform des Baskischen gesprochen haben. Aber die Vorfahren der Spanier haben auch eine Vorform des Spanischen gesprochen. Die Vorform war natürlich nicht spanisch im engeren Sinne. Aber genauso wenig war die Vorform des Baskischen im engeren Sinne baskisch. Zwar hat sich die Sprachfamilie, zu der Spanisch zählt, weiter aufgefächert als Baskisch, das quasi allein dasteht. Das heisst aber nicht, dass die Entwicklung im Falle des Baskischen gradliniger abgelaufen ist als im Falle des Spanischen oder dass das heutige Baskisch größere Ähnlichkeit mit dem Proto-Vaskonischen von vor 5000 Jahren hat als das Spanische mit dem Proto-Indogermanischen aus der gleichen Periode. Im Falle des Indogermanischen haben die Umstände der Vorgeschichte dazu geführt, dass die Nachfolgeformen sich in hunderte unterschiedliche Richtungen vom Ur-Indogermanischen wegentwickelt haben, während sich das Baskische nur in einer Generalrichtung vom Proto-Vaskonischen wegentwickeln konnte, was aber nicht heisst dass es sich weniger weit wegentwickelt hat. Das vermeintlich steinzeitliche Lexem haitz in Ehren, aber auch am Baskischen ist ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Jede Sprache Europas und der Welt hat ihre jeweiligen Proto-Formen zu jedem beliebigen Zeitpunkt, und auch Ur-indogermanisch und Proto-Vaskonisch sind ja nur vergleichsweise neue Entwicklungen aus noch viel früheren Formem. Für Sprachen gibt es keine Radiokarbondatierung. Die Rede vom Alter einer Sprache ist nur metaphorisch. Alle Sprachen sind gleich alt, sofern sie nicht entweder künstlich konstruiert oder vom Himmel gefallen sind. Eines lässt sich vielleicht über das Baskische sagen, nämlich dass es schon länger vor Ort ist. Aber das ist ja nicht dasselbe wie älter. Unter mehreren Personen in einem Raum ist ja auch nicht unbedingt die die älteste, die sich schon am längstem im Raum aufhält.