Ich ist ein Vorbild

Philipp Lahm, Der feine Unterschied. Wie man heute Spitzenfußballer wird. Aufgezeichnet von Christian Seiler, Kunstmann 2011, 19,90 €

Das Beste, was man über den Autor Philipp Lahm sagen kann, ist, daß er alles, was er da hinschreibt, wirklich so meint.
Der Mann ist ja eigentlich Fußballspieler. Die werden ja gern mal überschätzt.

An den Straßenrändern feiernde Leute. Polizisten, die salutieren, wenn unser Bus vorbeifährt. Noch mehr Autos mit Deutschland-Fahnen. Das Land eine Party, und wir sind die Hauptpersonen. Was ist denn hier bloß los?
[S. 91]

Gute Frage. Da wundert er sich, der Herr Lahm. Aber nicht etwa darüber, daß da anscheinend jede Menge Leute seinen Sport und seine Mannschaft und die Fußballweltmeisterschaft an sich zum historischen Moment überhöhen. Das, meint er, hat schon seine Richtigkeit.

Kurze Ansprache der Kanzlerin. Schade, dass Sie verloren haben, meine Herren. Aber Sie dürfen auf das, was Sie erreicht haben, sehr stolz sein. Sie haben für eine Stimmung im Land gesorgt, die in Deutschland noch nie da gewesen ist.
Schon. Aber wir haben gerade verloren.
[S. 107]

Wohlgemerkt: Merkel schreit eine Fußballmannschaft zur Stimmungskanone für das Gesellschaftsklima hoch – und der Einwand, den Lahm geltend macht, ist nicht etwa der, daß das überzogen dummes Zeug ist, sondern — daß das durch Gegentore angefressene Selbstbewußtsein jetzt ja nun erst mal wichtiger sei, als das Gesellschaftsklima.

Es ist dieser Rausch, in den dich nur der Erfolg versetzt. Die Sicherheit, dass jeder Gedanke, den du hast, auf dem Rasen Wirklichkeit wird. Dass du nicht über banale, technische Fehler stolperst, wenn du einen genialen Einfall hast.
[S. 94]

Wie gesagt: der gute Mann redet vom Fußballspielen. Das ist keine Selbststilisierung wider besseres Wissen, das meint der wirklich alles ernst. Was sportjournalistisch zumindest latent ironisch gebrochen wird, ist bei Lahm so emphatisch wie pathetisch. Wobei Emphase wie Empathie in Sprache und Ausdruck der Seifenoperigkeit der Boulevardmedien entliehen sind.

Unbemerkt von den meisten Spielern hockt sich jetzt Oliver Kahn zu Jens Lehmann und wünscht ihm Glück. Das ist dem Oli bestimmt nicht leichtgefallen (…).
[S. 99]

Das Schlechteste, was man über den Menschen Philipp Lahm sagen kann, ist, daß er alles, was er da hinschreibt, wirklich so meint.