Ein Klassiker der DDR-Literatur

Hermann Kant, Die Aula. Roman, Aufbau Taschenbuch Verlag 2001, 10.00 €
Hermann Kants erstmals 1965 erschienenes und jetzt im Aufbau Taschenbuch Verlag neu aufgelegtes Buch “Die Aula” galt als eine Art Vorzeigeroman der DDR-Literatur, da sich hier erstmals der offiziell proklamierte Sozialistische Realismus für früher als “formalistisch” verfemte, gemäßigt experimentelle, Erzähltechniken öffnete.Der 1926 geborene Kant lernte Elektriker, wurde kurz vor Kriegsende eingezogen, gehörte in der polnischen Kriegsgefangenschaft zu den Gründern eines Antifa-Kommitees, studierte dann an der Arbeiter-und-Bauernfakultät (ABF) in Greifswald und später Germanistik in Berlin, wurde Schriftsteller und ab 1978 Präsident des DDR-Schriftstellerverbandes.”Die Aula” erzählt die Geschichte von Robert Iswall, ebenfalls ehemaliger Elektriker und Absolvent der ABF, der inzwischen als Journalist tätig ist. Er erhält die Nachricht, dass die Fakultät, die in der DDR Arbeitern und Bauern ermöglichte, das Abitur nachzuholen und sich so für ein weiteres Studium zu qualifizieren, geschlossen werde, weil sie ihre historische Aufgabe erfüllt habe, und er, Iswall, wird gebeten, aus diesem Anlass eine Rede zu halten. Obwohl er bis zur Abschiedsfeier noch ein halbes Jahr Zeit hat, lässt ihn der Auftrag nicht mehr los – ob er seine Frau, auch sie ABF-Absolventin und jetzt Augenärztin, zur Arbeit fährt und dabei an seine Einschreibung erinnert wird, oder ob er, als er für eine Reportage nach Hamburg geschickt wird, einen ihm inzwischen völlig fremd gewordenen alten Bekannten aufsucht.Auf 464 Seiten springt Kant geschickt immer wieder mittels Rückblenden und Erinnerungen zwischen den Zeitebenen hin- und her, spart auch nicht mit Kritik an diversen Missständen, lässt aber an seiner grundsätzlichen Identifikation mit der DDR nicht eine Sekunde lang Zweifel aufkommen. So kommen hier durchaus Republikflucht, Bananenknappheit, nicht nachvollziehbare Kurswechsel sowie Iswalls persönliche Probleme mit seinem Stiefvater, der zwar ein verdienter Antifaschist, aber trotzdem ein verbohrter Spießer ist, zur Sprache, was manche Leser verblüffen mag – setzte sich doch in den letzten Jahren die Meinung durch, wer an solche Themen rührte, sei für mindestens 15 Jahre in Bautzen verschwunden. So lohnt sich die Lektüre der “Aula”, die alles andere als ein Propagandaroman ist, auch heute noch. Einzig die teilweise, aber nicht durchgängig, etwas klischeehafte Zeichnung der Nebenfiguren, und die dann doch etwas feuerzangenbowlenhafte Schilderung typischer Erlebnisse aus der schönen Studentenzeit – der FDJler, der ständig das Wort “quasi” im Munde führt, “hatte damit seinen Namen weg” – vermögen den positiven Eindruck zu trüben.