Um die Welt gegrinst

Dieter Nuhr, Gibt es intelligentes Leben?, rororo 2006, 9,90 €
Im Prinzip mag das ja eine interessante Frage sein, aber hätte man zur Beantwortung nicht jemanden heranziehen sollen, der sich damit auskennt? Der m it der Materie schon mal in Berührung gekommen ist? Nun ja. Stattdessen darf sich Dieter Nuhr auf knapp 190 Seiten über seine Sicht der Dinge auslassen. Das ist einerseits eine schöne Therapieidee und andererseits eine gute Schule für das Publikum: Nicht jeder, der im Fernsehn was lustiges gesagt hat, kann deshalb auch schreiben. Deswegen: nicht gleich alles kaufen, nur weil man den Namen kennt. Oder, bevor man losgeht, die Namen von echten Schriftstellern lernen.
Sei’s drum. Was schreibt uns der Grinsekasper denn? “Das Gehirn des Menschen besteht erstaunlicherweise aus mehreren Einzelteilen und ist damit komplizierter aufgebaut als ein Transistorradio oder ein Stück Pflaumenkuchen.” Okee. Was will uns der Dieter damit sagen? Daß er sich aus irgendeinem popular-science-Buch eine Art Wissen über Hirnanatomie angelesen hat, das er nun in einem weiteren Vermittlungsschritt an den Leser bringen will? Daß ihn die Komplexität menschlichen Denkens erschreckt oder befremdet? Daß er persönlich nur Pflaumenkuchen im Kopf hat? Man weiß es nicht. Ich persönlich möchte es eigentlich auch gar nicht so genau wissen.
Ich weiß aber sicher, daß dieses Buch durchaus zu etwas nutze ist. Man kann damit eine Wespe tothauen, ohne dem Buch ernsthaften Schaden zuzufügen. Und man kriegt den Dreck nachher problemlos wieder runtergewaschen.

Buddy Hollys Pillen

Wolfgang Welt, Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe, Suhrkamp 2006, 15 €
Während die Feuilletons der Zeitungen, die so etwas tatsächlich unterhalten, spätestens seit Siegfried Unselds Tod mindestens monatlich darüber berichten, wie der Suhrkamp Verlag sich mit sich selbst beschäftigt, kommt der Suhrkamp Verlag selbst erfreulicherweise auch noch dazu, das zu tun, was eigentlich seine Aufgabe ist: Bücher zu veröffentlichen, in denen sich wer anders mit sich selbst beschäftigt. In diesem Fall der Nachtpförtner des Schauspielhauses Bochum. Der heißt Wolfgang Welt und hat in den frühen Achtzigern die deutsche Musikpresse vollgeschrieben, bis er es im Kopp gekriegt hat und eingeliefert wurde. Diesen Werdegang inkl. Krankheitsgeschichte beschreibt er in drei autobiographischen Romanen, die den Großteil dieses Buches ausmachen. Der Rest ist verstreut veröffentlichter Kleinkram.
Wenn man aus Bochum kommt und sich zumindest marginal an die Achtziger erinnern kann, hat dieses Buch seinen Reiz, weil man Orte und Personen wiedererkennen kann und die Einschätzungen des Autors mit eigenen Erfahrungen abgleichen kann. Zum Teil eröffnet sich sogar die tröstende Erkenntnis, daß bestimmte Kneipen ihre Serviceschwäche nicht erst eingeführt haben, als man selbst begann, sie zu frequentieren. Ob sich dieser Reiz auch geographisch oder altersmäßig nicht kompatiblen Lesern erschließt, ist nicht ohne weiteres vorauszusetzen.
Stilistisch gelungener als die Romane ist der leider nur acht Seiten lange Text “Kalter Bauer in Bochum”, der fast ausschließlich wörtliche Rede beinhaltet, und zwar im Gegensatz zu den Romanen auch orthographisch an die tatsächliche Mundart angepasst.

… und alles das – im Deutschunterricht!

Elisabeth Schmitt: Von Herakles bis Spider-Man. Mythen im Deutschunterricht. Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler, 2006, 19,00 €
Selten gelingt die Kombination von fachwissenschaftlichem Anspruch und Lesevergnügen: Mit dieser Neuerscheinung ist dem Schneider Verlag Hohengehren jedoch wieder einmal sein selbst gestellter Anspruch gelungen. „Von Herakles bis Spider-Man“ erschließt zunächst detailliert den Stellenwert des Mythos im Deutschunterricht, untersucht an ausgewählter Literatur (u.a. Andreas Steinhöfels Erstlingsroman „Die Mitte der Welt“) deren mythologische Versatzstücke und gibt schließlich – für Praktiker unerlässlich – einige Anregungen für die Umsetzung im Unterricht. Ergänzt wird der Band, der auf einer bei Prof. Kaspar Spinner angefertigten Doktorarbeit basiert, durch eine CD-ROM, die Texte und Materialien bereithält.
Dass (griechische) Mythologie ein fester Bestandteil der literarischen Tradition ist und – etwa in Comicfiguren – bis heute fortwirkt, mag zwar dem interessierten Publikum bekannt sein, diese grundlegende Erkenntnis ist aber bislang nicht nennenswert in Lehrplänen bzw. Kernlehrplänen in Erscheinung getreten. Dass in der Folge Literatur nur fragmentarisch erschlossen werden kann, stellt Elisabeth Schmitt hier aufschlussreich zur Debatte.

… und noch mehr – im Deutschunterricht!

Wolfgang Wangerin (Hg.): Musik und Bildende Kunst im Deutschunterricht. Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler, 2006, 28,00 €
Wie kann ästhetische Erfahrung vermittelt werden, wenn es nicht bei einer oberflächlichen Begriffsdefinition, einem staubtrockenen Definitionenpauken oder „interpretieren“ nach Lektürehilfe bleiben soll? Eine universelle Antwort ist nicht möglich und das weiß auch Wolfgang Wangerin. Er sieht darin jedoch keinen Grund, es nicht zumindest zu versuchen.Der Diskussionsband richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die praktikable und theoretisch fundierte Anregungen für den Einbezug von Musik und Bildender Kunst in den Deutschunterricht suchen. In mehreren Fachaufsätzen wird vorgestellt, wie Bilder im Unterricht zum Sprechen gebracht werden können, wie Museen „von den Toten auferstehen“, wie (klassische) Musik auch zu Schülerinnen und Schülern „plaudern“ kann und wie aus Farbklängen Klangfarben werden. Ergänzend steht auch hier eine CD-ROM zur Verfügung, die Abbildungen, Texte und Aufgabenstellungen versammelt.
Beide Bände seien wärmstens empfohlen!

“Bin ich vielleicht ein Dichter? Sicher nicht.”

Poesie italiane/Italienische Gedichte, dtv zweisprachig 2006, € 9,50
Man muß dem sog. “Deutschen Taschenbuch Verlag” Anerkennung dafür zollen, dass er es unternimmt, dem Lesepublikum diese schön aufgemachten zweisprachigen Gedichtbände anzubieten. (Man muß ihm eins dafür vor die Mappe geben, dass er seinen eigenen Namen nicht schreiben kann, aber das steht auf einem anderen Blatt). Wenn man den vorliegenden Band nach seinen eigenen Kriterien beurteilt, nämlich als Hilfsmittel um Italienischlernenden die lyrische Tradition in jener Sprache nahezubringen, kann man nicht umhin das Unternehmen als rundum gelungen zu bezeichnen. Natürlich sind die deutschen Übertragungen nicht von wirklich poetischem Wert, aber die Herausgeber haben zweifelsohne ihr selbsterklärtes Ziel erreicht, mit diesen Übertragungen dem Lesenden/Lernenden ein Instrument zur intensiveren Auseinandersetzung mit dem Original an die Hand zu geben. Die Auswahl der Gedichte ist vielleicht etwas spärlich, aber im ganzen angemessen. Einziger Mangel: Wie auch die anderen Bände dieser Reihe sind die im Anhang gelieferten “Bio-Bibliografischen Notizen” nicht alphabetisch geordnet, sondern nach Geburtsjahren der Dichter, was das Auffinden unnötig erschwert. Inhaltlich lässt sich zu den Dichtern und Gedichten nichts mehr sagen was nicht schon längst irgendwo anders gesagt ist, denn es handelt sich durchweg um Klassiker – mit der Ausnahme von Aldo Palazzeschi, der nach eigenen Angaben noch nicht einmal Dichter ist (”Son forse un poeta? No certo.”), dafür aber laut bio-bibliographischer Notiz eine “Neigung zum Besonderen, Grotesken (auch im Tragischen)” hat. Auch dazu meinen herzlichen Glückwunsch.